Lot 1103 
(incl. surcharge)
Der aus Marburg gebürtige Leonhard Creuzer (1768-1844) studierte in seiner Heimatstadt Theologie, später Philosophie, und verbrachte während seines Studiums ein Jahr in Jena, wo er auch Vorlesungen von Friedrich Schiller besuchte. Gemeinsam mit seinem Vetter und Freund Friedrich Creuzer (1771-1858) gründete er 1794 eine Unterrichtsanstalt für ausländische Studierende, und wie sein geistesverwandter Vetter auch, erhielt er später eine Professur für Philosophie an der Universität Marburg. Beide gehörten dem sog. Heidelberger Romantikerkreis an und waren als "die Creuzers" u. a. mit den Arnims, Grimms, Brentanos, auch mit Novalis und vor allem mit Friedrich von Savigny eng befreundet.
Die bedeutendste Eintragung stammt von Novalis (1772-1801), der sich mit einem eigenen Gedicht einschrieb:
Selig, welchem im Alter die heilige Tochter der Wahrheit,
Weisheit, freundlich besucht, duftender blüht ihm der Kranz
Den die Kinder der Zeit um seine Schläfe gewunden,
Fröhlicher hebt er den Fuß näher dem winkenden Ziel,
Dreymalseliger der, dem sie als Jüngling schon hold ist
Und im traulichen Kreis ihren Becher kredenzt;
Alles was ihn umgiebt, wird ihn zu Rosen und Veilchen
Die balsamisch den Pfad seiner Zurückkehr umblühn.
Jena, im September 1791. / Symb. Alles um Liebe.
Dir, bester Kreutzer, ward dis lieblich Loos; wir andern Kinder des Leichtsinns schwärmen führerlos umher: ora pro nobis: Dein Freund und Bruder Fridrich Kurt von Hardenberg. aus Sachsen.
Abgedruckt in: „Schriften“, hrsg. von P. Kluckhohn und S. Samuel, Bd. IV, Nr. 28 b. Dort auch die Anmerkung, daß Novalis in seiner Studentenzeit aus unbekannten Gründen mit den verschiedensten zweiten Vornamen zeichnet. Auf der Tatsache beruhend, daß Novalis sich am 16. Sept. 1791 auch im Stammbuch des Vetters Friedrich Creuzer eintrug (siehe a. a. O. Nr. 28 a) und daß beide Creuzer im gleichen Haus wohnten, schließen die Herausgeber, daß Novalis beide Eintragungen bei einem Besuch am gleichen Tag (16. Sept.) gemacht haben könnte.
Die andere bedeutende Eintragung stammt von Friedrich Schiller (1759-1805), geschrieben Erfurt, 15. Sept. 1791: Quem te deus esse / Jussit et humana qua parte locatus es in re disce. (A. Persius Flaccus, Satiren III, 71-73). Am 24. Sept. des gleichen Jahres folgt mit einem Distichon seine Frau Charlotte Schiller, geb. von Lengefeld (1766-1826): Viel sind der Zaubereyen der Kunst, / Und wenig der Tage des Lenzes.
Weiterhin findet sich mit einem eigenen Gedicht Gottfried August Bürger (1747-94), aus der Zeit seiner Professur für Ästhetik in Göttingen: Meister Katechismus! / Nur dieß gebeut die Kunst, dem Meister für und für: / Zuvor versteh dich selbst und dan(n) gefalle dir. (Göttingen, 20. Sept. 1791). Ferner ist vorhanden der Dichter Christian Felix Weisse (1726-1804) mit einem Martial-Zitat: Ampliat aetatis spatium sibi vir bonus. (Leipzig, 7. Mai 1791); und der Philosoph Carl Leonhard Reinhold (1757-1823), damals Professor in Jena, mit einem Goethe-Zitat (Jena, 15. Sept. 1791); sowie am gleichen Tag seine Ehefrau Sophie Reinhold (1768-1837), die Tochter Christoph Martin Wielands.
Enthält weiterhin zahlreiche bekannte Gelehrte und Schriftsteller, darunter: .............
Stellenw. gering fingerfleckig und Einbd. leicht berieben. Insgesamt wohl erhalten. Bedeutendes Dokument der deutschen Literatur- und Gelehrtengeschichte.
Novalis-Autographen sind in jeder Form sehr selten, insbesondere jedoch Stammbuchblätter (keines im Auktionshandel der Nachkriegszeit). Von ähnlicher Seltenheit sind auch Stammbuchblätter von Schiller.
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