Sale: 600 / Evening Sale, Dec. 05. 2025 in Munich button next Lot 125001045

 

125001045
George Grosz
Walzertraum (Vorlage für "Ecce Homo", Blatt 13), 1921.
Watercolor
Estimate:
€ 300,000 - 500,000

 
$ 351,000 - 585,000

Information on buyer's premium, taxation and resale right compensation will be available four weeks before the auction.
George Grosz
1893 - 1959

Walzertraum (Vorlage für "Ecce Homo", Blatt 13). 1921.
Aquarell, Feder und Tinte auf Papier.
Rechts unten signiert. Auf Velin, auf Karton aufgezogen. 53,5 x 42,4 cm (21 x 16,6 in), Blattgröße.

• Herausragendes Aquarell: Vorlage für die legendäre "Ecce Homo"-Mappe.
• Lust und Laster: Grosz als Voyeur und sozialkritischer Chronist der Weimarer Jahre.
• Aquarelle dieser Qualität sind auf dem internationalen Auktionsmarkt von allergrößter Seltenheit.
• Seit über 45 Jahren Teil einer bedeutenden Berliner Privatsammlung
.

Mit einer Fotoexpertise von Ralph Jentsch vom 27. Oktober 2025. Das vorliegende Blatt wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Arbeiten auf Papier aufgenommen.

PROVENIENZ: Sammlung Georges van Parys (1902-1971), Paris (wohl direkt vom Künstler erworben).
Allan Frumkin Gallery, New York (vom Vorgenannten erworben, auf der Rahmenrückpappe mit dem Etikett).
Sammlung Murray B. Cohen, New York (auf der Rahmenrückpappe mit einem Etikett und mehrfach handschriftlich erwähnt).
Acquavella Galleries, New York.
Privatsammlung Berlin (1979 vom Vorgenannten erworben).
Seither in Familienbesitz.

AUSSTELLUNG: George Grosz, Serge Sabarsky Gallery, New York, April-28.6.1975, Kat.-Nr. 22 (auf der Rahmenrückpappe mit dem Etikett).
Tendenzen der zwanziger Jahre, 15. Europäische Kunstausstellung unter den Auspizen des Europarates, Neue Nationalgalerie, Akademie der Künste und Große Orangerie des Schlosses Charlottenburg, Berlin, 14.8.-16.10.1977, Kat.-Nr. 3/545, m. ganzs. Abb. (auf der Rahmenrückpappe mit dem Etikett).
Ich und die Stadt. Mensch und Großstadt in der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts, Berlinische Galerie, Berlin, 15.8.-22.11.1987, S. 138, Kat.-Nr. 60 (m. Abb., S. 139).

LITERATUR: George Grosz. Ecce Homo, Berlin 1923 (m. Farbabb., Nr. 13).
George Grosz u. Lola Sachs Dorin, A Little Yes and a Big No. The Autobiography of George Grosz, New York 1946, (m. ganzs. Farbabb., S. 96f.).
Ferdinando Ballo, Grosz. Documenti d'arte Contemporanea, Mailand 1946, S. 56 (m. ganzs. Farbabb.).
Alexander Dückers, George Grosz, Das druckgraphische Werk, Frankfurt a. M. u. a. 1979, unter S I, S. 207 (mit Informationen zu den Aquarellen).

"Der Verist hält seinem Zeitgenossen den Spiegel vor die Fratze. Ich zeichnete und malte aus Widerspruch und versuchte durch meine Arbeiten diese Welt davon zu überzeugen, dass sie hässlich, krank und verlogen ist."

George Grosz, zit. nach: Anita Beloubek-Hammer, Gefühl ist Privatsache. Verismus und Neue Sachlichkeit. Aquarelle, Zeichnungen und Graphik aus dem Berliner Kupferstichkabinett mit Leihgaben, Berlin 2010, S. 69.)

Unter den eindringlichsten Schöpfungen von George Grosz nimmt "Ecce Homo" eine besondere Stellung ein. Die kleine Folge von sechzehn Aquarellen und die spätere Mappenfolge mit Drucken halten der Weimarer Gesellschaft schonungslos den Spiegel vor. Mit einer Mischung aus politischer Empörung, erotischer Satire und virtuoser Zeichenkunst entwirft Grosz eine kompromisslose Vision des modernen Großstadtlebens – grell, unbarmherzig und von sarkastischer Klarheit.
Diese radikale Bestandsaufnahme einer Welt aus den Fugen ist untrennbar mit Grosz’ Überzeugung verbunden, dass Kunst sich den Wirklichkeiten ihrer Zeit stellen muss, anstatt sie zu beschönigen. In zahlreichen Artikeln und Manifesten der frühen 1920er Jahre wendet er sich gegen die Vorstellung von Kunst als rein ästhetischer Selbstzweck: "Kunst ist für mich keine ästhetische Angelegenheit, ... kein musikalisches Gekritzel, das nur von feinnervigen Gebildeten zu erfühlen und zu erraten ist. Zeichnen hat wieder einem sozialen Zweck sich unterzuordnen." (George Grosz, 1924, zit. nach: Serge Sabarsky, George Grosz, Die Berliner Jahre, Mailand 1985, S. 31).

Krieg und Widerstand
Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldet sich Grosz freiwillig zum Militärdienst, allerdings mit der Hoffnung, dem Fronteinsatz zu entgehen. Bereits ein Jahr später wird er wegen einer Erkrankung entlassen. In dieser Zeit entstehen in Berlin die ersten Skizzen, die später zur Grundlage von "Ecce Homo" werden.
1917 erfolgt die erneute Einberufung, doch nach einem Selbstmordversuch wird Grosz in ein Lazarett eingewiesen, wegen Fahnenflucht angeklagt und schließlich zum Tode verurteilt. Der wohlhabende Mäzen Harry Graf Kessler setzt sich für ihn ein und erreicht eine Begnadigung. Diese Erfahrungen führen zu einer tiefgreifenden Abkehr vom deutschen Nationalismus. Aus Protest anglisiert Grosz seinen Namen – aus Georg Groß wird George Grosz – und markiert damit zugleich eine geistige Distanzierung von seiner Heimat.
1933, eine Woche vor Hitlers Machtübernahme, emigriert er mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten. Der Schriftsteller Henry Miller kommentiert später: "Can one wonder that he found no place in his work for 'sweetness and light'? Is it any wonder that he was, as he admits, filled with an utter contempt for all mankind?" (Henry Miller, Ecce Homo, New York 1966, S. ix).




"Ecce Homo": Grosz’ schonungslose Vision
Sein im Krieg gereifter Zorn äußert sich in Aquarellen, Zeichnungen und Mappenwerken, die die herrschende Klasse mit beißender Satire entlarven. In Grosz’ Augen ist diese zunehmend dekadent, verkommen und heuchlerisch, während die unteren Schichten unter Inflation, Armut und Arbeitslosigkeit leiden. Grosz hält das Berliner Alltagsleben in präzise beobachteten Szenen fest: Zechende in Tavernen, Besucher von Bordellen und gesellschaftlich Ausgestoßene, stets mit Blick auf die psychischen und moralischen Folgen eines Lebens ohne Verantwortung und innere Wahrhaftigkeit.
Mit "Ecce Homo" schafft Grosz eines seiner radikalsten Werke: eine kleine Folge von nur sechzehn Aquarellen, die in ihrer Konzentration und Wucht unvergleichlich ist. Der Titel, lateinisch für "Sehet, welch ein Mensch!", verweist auf die Worte des Pontius Pilatus über Christus im Johannesevangelium. In diesen Blättern tritt der moderne Mensch entstellt hervor, gezeichnet in fiebrigen Farbverläufen und scharfen, schneidenden Linien. Henry Miller beschreibt die Serie 1927 mit klarer, beinahe erschütternder Prägnanz: "They are as naked and ugly, as beautiful and eloquent, as truth itself." (zit. nach: Ecce Homo, New York 1966, S. vii).




"Walzertraum": Rarität und Anklage
Das Aquarell "Walzertraum", 1921 entstanden, gehört zu den äußerst selten erhaltenen Originalen dieser Reihe. Werke aus dieser Serie sind selbst in musealen Sammlungen kaum vertreten; bislang gelangten lediglich drei weitere Aquarelle auf den internationalen Kunstmarkt.
In der Szene bewegen sich Prostituierte durch eine Abfolge sexueller Begegnungen, umgeben von Freiern und Trinkern. Der lüsterne männliche Blick dominiert das Geschehen: Männer bekleidet, Frauen nackt – selbst wenn sie Kleidung tragen. Ihre Welt ist geprägt von Kapital, Korruption und hemmungsloser sexueller Maßlosigkeit.
Hier verwandelt sich der biblische Ausspruch "Ecce Homo" zu einer bitter-ironischen Mahnung: nicht, um das Göttliche zu betrachten, sondern um die Verdorbenheit des Menschen zu offenbaren. Grosz’ "Mensch" ist der Berliner Bourgeois, eitel, gefräßig und moralisch bankrott, gefangen in einem endlosen Theater aus Lust, Exzess und Selbstverfall.

Skandal, Zensur und Resonanz
"Ecce Homo" löst von Anfang an heftige Reaktionen aus. Nach der Veröffentlichung der Mappenfolge 1923 – ein Jahr nach der Ausgabe der Zeichnungen und Aquarelle – werden der Malik Verlag, Grosz sowie die Herausgeber Julian Gumperz und Wieland Herzfelde in Berlin wegen der Verbreitung unzüchtiger Schriften angeklagt. Siebzehn Blätter und fünf Aquarellreproduktionen müssen entfernt und die Druckplatten vernichtet werden. Die Presse, im In- wie im Ausland, erkennt jedoch Grosz’ satirisch-gesellschaftskritische Absicht.
Unter dem Nationalsozialismus wird er später als "Kulturbolschewist" diffamiert, und Teile von "Ecce Homo" gelangen in die berüchtigten Ausstellungen "Entartete Kunst" in Berlin, Düsseldorf und Hamburg.
Solche Formen der Zensur bestätigen nur, was das Werk selbst bereits ausspricht: dass Kunst nicht länger neutral bleiben kann. Grosz schreibt hierzu 1933: "Keine Frage, meine Blätter sind ja auch mit das Stärkste, was man gegen diese bestimmte deutsche Brutalität gesagt hat. Heute sind sie wahrer denn je – und man wird sie sich später in, verzeihe, 'humaneren' Zeiten, einmal zeigen, wie man sich heute die Blätter von Goya zeigt…" (George Grosz, 1933, zit. nach: Herbert Knust, George Grosz, Briefe 1913–1959, Hamburg 1979, S. 181).
Indem Grosz die verdrängten Seiten der Gesellschaft – ihre erotischen Fantasien, Klassengewalt und protofaschistischen Impulse – ungeschönt offenlegt, zwingt er das Berlin der Zwischenkriegszeit, sich selbst ins Auge zu sehen. Seine Kunst erfindet die Verderbtheit nicht, sie weigert sich lediglich, sie zu verschweigen. [KA]





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Walzertraum (Vorlage für "Ecce Homo", Blatt 13), 1921.
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