
1067
Ernst Barlach
Slg. von 31 eigh. Briefen, 1909.
Estimate:
€ 24,000 / $ 27,120 Sold:
€ 33,320 / $ 37,651 (incl. surcharge)
Geschlossene und wohl vollständige Brieffolge an den Berliner Bildhauerkollegen und Freund August Gaul (1869-1921), dessen
Bekanntschaft Barlach wenige Jahre zuvor im Kreise Paul Cassirers gemacht hatte
und mit dem Barlach bis zu Gauls Tod im Oktober 1921 korrespondierte. Der
seinerzeit wesentlich bekanntere August Gaul hatte sich vor allem durch seine
Tierplastiken und -graphiken einen Namen gemacht. 1902 wurde er Mitglied und
später Vorstandsmitglied der Künstlervereinigung Berliner Secession und ab 1904 Mitglied und Professor der
Preußischen Akademie der Künste in Berlin. Er setzte sich sich zeitlebens für
die Unterstützung und Förderung der mit ihm befreundeten Künstler ein. - Die
umfang- und inhaltsreichen Briefe Barlachs enthalten Bemerkungen zu
bildhauerischen und schriftstellerischen Arbeiten (geplantes Hindenburgdenkmal,
der Kieler „Geisteskämpfer“, der „Heilige Krieg“ u. a. ) und Kollegen u. a. aus
der Berliner Secession (Nolde und
Liebermann) sowie verschiedenen Familien- und Alltagserlebnissen (Tod der
Mutter, Besuch beim Bruder), daneben aber vor allem Schilderungen aus der Zeit
des Ersten Weltkrieges. Barlach trat 1915/16 in Sonderburg eine Ausbildung zum
Landsturmmann an, wurde jedoch auf eigenen Wunsch hin und durch eine Petition
von Gaul und anderen Künstlern nach zwei Monaten beurlaubt. Die Eindrücke, die
er in dieser Zeit empfing, bewirkten eine Wandlung von Barlachs ursprünglich
kriegsbejahender Haltung hin zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem
Elend des Kriegsalltags. - Auszüge: "...
Es hat sich hier begeben, daß ich es wieder einmal mit dem Schlittschuhlaufen
probiert habe ... Es sind 25 Jahre her, daß ich zuletzt gelaufen bin, ein
Wunder daß ich es noch konnte. An solchen Dingen merkt man, daß man alt wird
... Neulich habe ich mir die Sturmflut bei Warnemünde angesehen ... Man ist im
Laufe der Jahre doch sehr anders geworden, die Art wie man die Welt ansieht u.
auffaßt, die Romantik ist zum Teufel, die Berauschung an der eigenen
Wichtigkeit, die dem jungen Menschen das Dasein so erfreulich macht, ist nicht
mehr da. Man denkt auch an den Schaden, den die Mitmenschen durch die "Wut
der Elemente" erlitten und findet die mecklenburgischen Arbeiter, die den
Damm wieder ausbessern, obgleich kein bißchen heroisch, doch ganz schätzenswert
..." (Güstrow, 15. I. 1914). - "... Dieses ganze Weltkriegsgetriebe
ist so nach und nach selbstverständlich geworden, man sieht nicht recht ein,
wie man es einmal wieder los werden soll ... Man möchte irgendetwas zu thun
kriegen dabei und fühlt sich doch nicht jung genug, sich irgendwo
hineinzustürzen ... Drückt man mir noch eine Flinte, wenn auch älteren Modells,
in die Hand so soll sie mir herzlich willkommen sein ..." (Güstrow, 15.
XII. 1914). - Während der Ausbildung zum Landsturmmann: " ... Heute haben
wir nach 3 Wochen Ausbildung zum ersten Mal scharf geschossen und zugleich habe
ich eine Vorübung für Flandern mit den Stiefeln voll Wasser gemacht. Der Fraß
ist zuweilen bös. Man steht im Morgendunkel an seinem Gewehr stramm und fühlt
die Kälte in den Fingern, Ohren u.s.w. nagen ... Also - was will ich mehr, ich
gewöhne mich allmählich an die Beschränkung auf das Ziel, ein regelrechter
Musketier zu werden. Ob ich es durchhalte ... Die Leute wissen wohl, was man
den Menschen zutrauen darf ... So lange ich warten durfte, daß d. r. Kreuz
meine Beurlaubung beantragen würde, hatte ich Hoffnung, aber jetzt fühle ich
mich mit den tausend Rekruten an ein Schicksal geschmiedet in dem es auch bitterböse
Momente giebt ... Wie man sich schämt über das, was man so geredet und
gezeichnet! Und wie man zu würdigen lernt, was da draußen an Leiden geleistet
wird. Denn darin sind sie Alle einig: Das Dulden u Leiden ist das größte. Das
bißchen Sterben wird kaum berücksichtigt ..." (Sonderburg, 29. XII. 1915).
– Auf Gauls Bemühungen hin, Barlach vom Militärdienst zu befreien: "... Aber
was können Sie bei den Leuten machen? Es ist sehr schwer, wenn man auffällt,
der Aufmerksamkeit zu entgehen, ich fürchte, man wird mich als Drückeberger
ansehen und nun ganz gehörig zwiebeln. Diese richtigen und ausschließlichen
Soldatennaturen können nicht zugeben, daß ein Einzelner wegen einiger mehr oder
weniger gelungenen Holzfiguren zu Schade zum Soldaten ist ..." (Sonderburg, 30.
I . 1916). – "Lieber Gaul, Ihren Brief bekam ich zugleich mit meiner
Entlassung. Montag reise ich ... Ich scheide jetzt ohne Bedauern – und ohne
Bedenken. Unser Soldatentum war nur noch ein Spott ..." (Sonderburg, 19. II.
1916). - Zurück in Güstrow: "... hier gehts immer noch wie sonst, man
arbeitet ein bißchen und wundert sich, daß bei dem Luderbetrieb immer noch das
u das fertig wird ... Ich raffe aber allerlei Entschlüsse zu Arbeiten zusammen,
um sie bei verschlechterter Stimmung wieder zusammenfallen zu sehen. Die alte
Leier! ..." (Güstrow, 14. II. 1917). - "... Sie werden manchmal
denken, was es wohl mit der Dramenschreiberei auf sich hat, was dabei heraus
kommen kann. Die Antwort ist einfach: es braucht gar nicht dabei heraus zu
kommen, ich brauche das als Ventil, um mich zu entladen von dem Unnützlichen,
das ich für dies bessere und wertvollere Handwerk als Bildhauer nicht brauchen
kann. Ich kann z. B. nachweisen, daß meine Arbeiten in dem Jahr, wo ich meinen
ersten dramatischen Versuch machte, schon viel plastischer wurden ..."
(Güstrow, 17. XII. 1917). - Zum Tod der Mutter 1920: " ... Anfang August
ertrank - meine Mutter im Schweriner See bei Bad Kleinem, wo sie seit 3 Tagen
weilte. Nichts Genaues, ohne Zeugen, die Behörde nahm Unglück an und sie ist
hier begraben. Hinterher klappte ich zusammen und führe seitdem ein Leben auf
der Landstraße ..." (Güstrow, 14. X 1920). - "... Über diesen Tag
[Barlachs Geburtstag am 2. I.] ... ist nun dickes Gras gewachsen und wenn Sie
bei der Erwähnung desselben so denken wie aus Ihren Worten hervorgeht, so seh
ich es mit herzlicher Freude als Zeichen menschlicher und künstlerischer
Kameradschaft an, indem ich die Bekanntschaft und Freundschaft mit Ihnen als
einen Hauptwert meines Lebens buche ... Halten wir uns beide an das Kommende
und versuchen wir, den Erwartungen der Zukunft die Zähne zu zeigen ..."
(Güstrow, 23. I. 1921). – Eine insgesamt kunsthistorisch und biographisch sehr
interessante und ergiebige Sammlung; vermutlich handelt es sich um sämtliche erhaltene,
von Barlach an Gaul gerichtete Briefe. – Bis auf einen Brief sämtlich
abgedruckt in: Fr. Dross (Hrsg.), Ernst Barlach. Die Briefe 1888-1938. 2 Bde.
München 1968. - Dabei: Eigh. Entwurf
von August Gaul. O. O. und J. [wohl Berlin, Januar 1916]. 2 S. 8vo. -
Entwurf der Petition, in der Gaul im Namen von Künstlern wie Liebermann,
Slevogt u. a. um die Befreiung Barlachs vom Militärdienst bittet.
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Ernst Barlach
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