65
Rainer Maria Rilke
2 eigenhändige Briefe, dazu ein Exemplar des Blauen Reiter, 1916-1917.
Estimate:
€ 6,000 / $ 6,600 Sold:
€ 6,250 / $ 6,875 (incl. surcharge)
Rilke und der Blaue Reiter
Rainer Maria Rilke
2 eigenhändige Briefe an den Maler Karl Caspar (1879-1956). München, ohne Datum (wohl Ende September oder Anfang Oktober 1916) und 14. VII. 1917. Zusammen 2 1/2 Seiten. 17,5-19 : 13-14,5 cm.
- An den befreundeten Maler und Mitbegründer der Münchener Neuen Secession Karl Caspar
- Bedankt sich ferner für die Leihgabe eines Exemplars des Blauen Reiters, das hier beiliegt
Kurze, aber warmherzige und freundschaftliche Schreiben an Karl Caspar, der zusammen mit seiner Frau, der expressionistischen Malerin Maria Caspar-Filser (1878-1968) spätestens seit Rilkes Umzug nach München 1914 zu dessen Freundeskreis gehörte. Caspar hatte sich u. a. als Künstler, Gründungsmitglied und später Vorsitzender der Münchener Neuen Secession in der Münchener Kunstszene etabliert. 1922 wurde er als ordentlicher Professor an die Akademie München berufen, mußte den Posten jedoch 1937 nach Verfehmung vier seiner Werke in der Ausstellung Entartete Kunst und unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes verlassen. 1946 wurde er durch Neuberufung an die Kunsthochschule rehabilitiert.
Im ersten, undatierten Brief erinnert Rilke, der das Ehepaar Caspar wenige Tage zuvor (der Brief wurde an einem "Freitag" verfaßt) bei der Franz Marc-Gedächtnis-Ausstellung in der Münchener Neuen Secession (Herbst 1916) getroffen hatte, an einen länger geplanten Besuch bei ihnen zuhause. "Seit unserer Begegnung in der Marc-Ausstellung hab ich mich auf einen Nachmittag bei Ihnen gefreut, immer war irgend ein Hindernis. Nun aber unternehme ichs wirklich, wie Sie mir erlaubt haben, bei Ihrer Frau Gemahlin und Ihnen anzufragen: ginge es morgen, Samstag? Vielleicht darf der Bote die Antwort gleich mitnehmen .. Paßt es morgen nicht, so könnte ich mich leicht auch für den Sonntag einrichten .. Bestimmen Sie." Der undatierte Brief wurde von Rilke in der Villa Alberti in der Münchener Keferstraße geschrieben, wo er sich seit Juni 1916 nach seiner Entlassung aus dem österreichischen Militärdienst eingemietet hatte. Die erwähnte Ausstellung fand vom 14. Sept. bis 15. Okt. 1916 statt, also dürfte der Brief wohl an einem Freitag, 22. oder 29. Sept. oder am 6. Okt. entstanden sein. - Im zweiten, am 14. VII. 1917 verfaßten Brief bedankt sich Rilke für die Leihgabe eines Exemplars des berühmten Kunstalmanachs Der Blaue Reiter , den Wassily Kandinsky und Franz Marc 1912 erstmals herausgegeben hatten. Karl Caspar hatte Rilke sein Exemplar der zweiten Auflage 1914 wohl zu Studienzwecken geliehen. Rilke bedauert, das Buch nicht persönlich zurückbringen zu können, da er sich mitten in einem Umzug und Aufbruch zu einem längeren Urlaub befindet. "Hier ist endlich der so lang behaltene Blaue Reiter - : vielen Dank; ich bringe ihn nicht selbst, da durch Aufgabe der Wohnung ein unaufhörliches Packen über mich gekommen ist, nach dessen Abschluß ich gleich wieder aufs Land gehe, diesmal ins Westphälische, auf ein stilles entlegenes Gut. Aber ich werde voraussichtlich nicht sehr lange dort bleiben." - Nachdem er seine Wohnung in der Villa Alberti aufgegeben hatte, hielt Rilke sich vom 25. Juli bis 4. Okt. auf dem Gut Böckel in Bieren bei seiner Freundin und Dichterkollegin Herta Koenig (1884-1976) auf, um sich dort von der ihn sichtlich erfassenden Unrast der Kriegszeit in München zu erholen (vgl. dazu unsere 516. Auktion im Mai 2021, Lot 284 mit zwei Briefen und einer Porträtfotografie von Rilke von diesem Aufenthalt).
Das erwähnte Exemplar der 2. Auflage (1914) des Blauen Reiters , das Rilke sich damals ausgeliehen hatte, liegt diesem Lot bei; es ist mit von Karl Caspar in Blei auf dem fliegenden Vorsatz mit seinem Namen gekennzeichnet. Der Einband dieses tadellos erhaltenen, vollständigen Exemplars des expressionistischen Almanachs ist mit dem berühmten Holzschnitt von W. Kandinsky im dritten und endgültigen Zustand in den Farben Blau, Rot und Schwarz gestaltet. "One of the most important concepts of the twentieth century art scene" (O. P. Reed).
- ZUSTAND: Knitterspuren des undatierten Briefes (1 Blatt) geglättet.
2 autograph letters signed by Rainer Maria Rilke (1875-1926) to his good friend, expressionist painter and co-founder of the "Münchener Neue Secession" Karl Caspar (1879-1956), Munich, 1916-1917. 2 1/2 pages. Along with Caspar's copy of "Der Blaue Reiter" (inscribed "Caspar" with pencil on the front flying endpaper), 2nd edition 1914. - After meeting them at an exhibition of works of Franz Marc 1916, Rilke plans a visit to Caspar and his wife Maria Caspar-Filser, also a prolific painter, for afternoon tea. In the second letter Rilke refers to the above-mentioned copy of "Der Blaue Reiter" which he had borrowed and which he returns now via post or messenger and with many thanks, while packing and preparing for a longer stay in the Westfalian countryside. - The earlier letter somewhat creased (smoothed). The copy of "Der Blaue Reiter" with the woodcut illustration on cover in the third and final state with the colors black, blue and red. Complete copy in execellent condition and of unique provenance.(R)
Rainer Maria Rilke
2 eigenhändige Briefe an den Maler Karl Caspar (1879-1956). München, ohne Datum (wohl Ende September oder Anfang Oktober 1916) und 14. VII. 1917. Zusammen 2 1/2 Seiten. 17,5-19 : 13-14,5 cm.
- An den befreundeten Maler und Mitbegründer der Münchener Neuen Secession Karl Caspar
- Bedankt sich ferner für die Leihgabe eines Exemplars des Blauen Reiters, das hier beiliegt
Kurze, aber warmherzige und freundschaftliche Schreiben an Karl Caspar, der zusammen mit seiner Frau, der expressionistischen Malerin Maria Caspar-Filser (1878-1968) spätestens seit Rilkes Umzug nach München 1914 zu dessen Freundeskreis gehörte. Caspar hatte sich u. a. als Künstler, Gründungsmitglied und später Vorsitzender der Münchener Neuen Secession in der Münchener Kunstszene etabliert. 1922 wurde er als ordentlicher Professor an die Akademie München berufen, mußte den Posten jedoch 1937 nach Verfehmung vier seiner Werke in der Ausstellung Entartete Kunst und unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes verlassen. 1946 wurde er durch Neuberufung an die Kunsthochschule rehabilitiert.
Im ersten, undatierten Brief erinnert Rilke, der das Ehepaar Caspar wenige Tage zuvor (der Brief wurde an einem "Freitag" verfaßt) bei der Franz Marc-Gedächtnis-Ausstellung in der Münchener Neuen Secession (Herbst 1916) getroffen hatte, an einen länger geplanten Besuch bei ihnen zuhause. "Seit unserer Begegnung in der Marc-Ausstellung hab ich mich auf einen Nachmittag bei Ihnen gefreut, immer war irgend ein Hindernis. Nun aber unternehme ichs wirklich, wie Sie mir erlaubt haben, bei Ihrer Frau Gemahlin und Ihnen anzufragen: ginge es morgen, Samstag? Vielleicht darf der Bote die Antwort gleich mitnehmen .. Paßt es morgen nicht, so könnte ich mich leicht auch für den Sonntag einrichten .. Bestimmen Sie." Der undatierte Brief wurde von Rilke in der Villa Alberti in der Münchener Keferstraße geschrieben, wo er sich seit Juni 1916 nach seiner Entlassung aus dem österreichischen Militärdienst eingemietet hatte. Die erwähnte Ausstellung fand vom 14. Sept. bis 15. Okt. 1916 statt, also dürfte der Brief wohl an einem Freitag, 22. oder 29. Sept. oder am 6. Okt. entstanden sein. - Im zweiten, am 14. VII. 1917 verfaßten Brief bedankt sich Rilke für die Leihgabe eines Exemplars des berühmten Kunstalmanachs Der Blaue Reiter , den Wassily Kandinsky und Franz Marc 1912 erstmals herausgegeben hatten. Karl Caspar hatte Rilke sein Exemplar der zweiten Auflage 1914 wohl zu Studienzwecken geliehen. Rilke bedauert, das Buch nicht persönlich zurückbringen zu können, da er sich mitten in einem Umzug und Aufbruch zu einem längeren Urlaub befindet. "Hier ist endlich der so lang behaltene Blaue Reiter - : vielen Dank; ich bringe ihn nicht selbst, da durch Aufgabe der Wohnung ein unaufhörliches Packen über mich gekommen ist, nach dessen Abschluß ich gleich wieder aufs Land gehe, diesmal ins Westphälische, auf ein stilles entlegenes Gut. Aber ich werde voraussichtlich nicht sehr lange dort bleiben." - Nachdem er seine Wohnung in der Villa Alberti aufgegeben hatte, hielt Rilke sich vom 25. Juli bis 4. Okt. auf dem Gut Böckel in Bieren bei seiner Freundin und Dichterkollegin Herta Koenig (1884-1976) auf, um sich dort von der ihn sichtlich erfassenden Unrast der Kriegszeit in München zu erholen (vgl. dazu unsere 516. Auktion im Mai 2021, Lot 284 mit zwei Briefen und einer Porträtfotografie von Rilke von diesem Aufenthalt).
Das erwähnte Exemplar der 2. Auflage (1914) des Blauen Reiters , das Rilke sich damals ausgeliehen hatte, liegt diesem Lot bei; es ist mit von Karl Caspar in Blei auf dem fliegenden Vorsatz mit seinem Namen gekennzeichnet. Der Einband dieses tadellos erhaltenen, vollständigen Exemplars des expressionistischen Almanachs ist mit dem berühmten Holzschnitt von W. Kandinsky im dritten und endgültigen Zustand in den Farben Blau, Rot und Schwarz gestaltet. "One of the most important concepts of the twentieth century art scene" (O. P. Reed).
- ZUSTAND: Knitterspuren des undatierten Briefes (1 Blatt) geglättet.
2 autograph letters signed by Rainer Maria Rilke (1875-1926) to his good friend, expressionist painter and co-founder of the "Münchener Neue Secession" Karl Caspar (1879-1956), Munich, 1916-1917. 2 1/2 pages. Along with Caspar's copy of "Der Blaue Reiter" (inscribed "Caspar" with pencil on the front flying endpaper), 2nd edition 1914. - After meeting them at an exhibition of works of Franz Marc 1916, Rilke plans a visit to Caspar and his wife Maria Caspar-Filser, also a prolific painter, for afternoon tea. In the second letter Rilke refers to the above-mentioned copy of "Der Blaue Reiter" which he had borrowed and which he returns now via post or messenger and with many thanks, while packing and preparing for a longer stay in the Westfalian countryside. - The earlier letter somewhat creased (smoothed). The copy of "Der Blaue Reiter" with the woodcut illustration on cover in the third and final state with the colors black, blue and red. Complete copy in execellent condition and of unique provenance.(R)
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Rainer Maria Rilke
2 eigenhändige Briefe, dazu ein Exemplar des Blauen Reiter, 1916-1917.
Estimate:
€ 6,000 / $ 6,600 Sold:
€ 6,250 / $ 6,875 (incl. surcharge)