229
Rainer Maria Rilke
1 eigenhändiges Gedicht, 2 eigh. Briefe, 1 eigh. Abschrift und 1 Typoskript, 1915.
Estimate:
€ 10,000 / $ 11,000 Sold:
€ 10,500 / $ 11,550 (incl. surcharge)
Rainer Maria Rilke
Eigenhändiges Gedicht Der Tod Moses' mit Widmung an Karl Caspar sowie 2 eigenhändige Briefe mit Unterschrift (mit 1 eigenhändigen Umschlag mit Stempelsiegel) und 1 eigenhändigen Abschrift eines Textes von J. G. Herder. Oktober-November (ein Brief datiert 10. Nov.) 1915. Zus. 9 1/2 S. 17,5-23 : 13,5-14,5 cm.
Schreiben an das befreundete Künstlerehepaar Caspar-Filser, darunter das wenige Wochen zuvor im Oktober 1915 fertiggestellte, bis dahin noch unveröffentlichte GedichtDer Tod Moses.
"Nur eine kleine Sache!"
Zwei Schreiben an Karl Caspar, der zusammen mit seiner Frau, der expressionistischen Malerin Maria Caspar-Filser (1878-1968), spätestens seit Rilkes Umzug nach München 1914 zu dessen Bekanntenkreis gehörte. Karl Caspar hatte sich u. a. als Künstler, Gründungsmitglied und später Vorsitzender der Münchener Neuen Secession in der Münchener Kunstszene etabliert. 1937 mußte er nach Verfehmung vier seiner Werke in der Ausstellung Entartete Kunst und unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes seine Professur an der Akademie München aufgeben, wurde jedoch 1946 durch Neuberufung an die Kunsthochschule rehabilitiert.
Beide Schreiben behandeln ein Treffen Rilkes mit den Caspars in dessen Wohnung bzw. Atelier, da er sich die Werke des Künstlerehepaars ein weiteres Mal ansehen möchte. ".. ich habe ein großes Verlangen, noch einmal in ruhiger Anschauung vor den wichtigsten Bildern zu stehen, Ihren sowohl als denen Ihrer Frau. Wollen Sie mir das erlauben und außerdem zugeben, daß ich dieses nächste Mal meine Frau mitbringe und einen uns gemeinsamen Freund Dr. Wolde [d. i. Georg Ludwig Wolde, 1884-1949, Mitbegründer der Bremer Presse] ..? Für Clara Rilke, als Bildhauerin wie als Menschen, werden Ihre Bilder ein Ereignis sein, das fühle ich und sie empfand es gleich, da ich ihr davon erzählte." (10. Nov. 1914) - Die Antwort von Karl Caspar enthielt einen Terminvorschlag, den Rilke in dem zweiten, undatierten Schreiben bestätigt: ".. Wenn Sie mich nichts anders wissen lassen, kommen wir um diese Zeit übermorgen. Ich bin ein bißchen eifersüchtig auf jeden Mit-Beschauer, jeder mehr ist einem Bild im Wege und veranlasst einen zu sprechen und sich mitzutheilen - : So überlasse ich es Ihnen, ob Sie Frau Koenig [d. i. Hertha Koenig, 1884-1976, Dichterkollegin und -freundin] mit dabei haben wollen; verantworten dürft ichs ja auch nicht, Schuld zu werden, daß ihr so bedeutende Eindrücke entgehen .."
Seit einiger Zeit beschäftigte sich Rilke außerdem, wie er Caspar mitteilt, mit dem Text einer talmudischen Legende vom Sterben Moses in der Übersetzung von Johann Gottfried Herder (".. die großartige Stelle aus dem Talmud in Herders Übertragung .."), deren Eindrücke ihn zu einem wohl schon 1914 in Paris begonnenen, aber erst im Oktober 1915 fertiggestellten Gedicht Der Tod Moses' anregten. Dem ersten Brief an Caspar fügte Rilke eine eigenhändige Abschrift der Herder-Übersetzung bei und kündigt im zweiten Brief für den nun vereinbarten Besuch bei Caspars eine Lesung aus seinem Gedichtmanuskript an, das er mit gespielter Bescheidenheit als "nur eine kleine Sache!" bezeichnet. Bei dieser Gelegenheit wird Rilke wohl dem Gedicht auch die Widmung hinzugefügt haben ("Herrn Karl Caspar: dankbar für die Stunden guten und fruchtbaren Anschauens").
"Keiner, der finstere nur gefallene Engel / wollte; nahm Waffen, trat tötlich / den Gebotenen an. Aber schon wieder / klirrte er hin rückwärts, aufwärts - / schrie in die Himmel: Ich kann nicht! / Denn gelassen durch die dickichte Braue / hatte ihn Moses gewahrt und weitergeschrieben. / Worte des Segens und den unendlichen Namen .."
Beim Besuch einer Franz-Marc-Ausstellung im September 1916 sind sich Rilke und das Ehepaar Caspar noch einmal begegnet (vgl. die Briefe von Rilke an Karl Caspar 1916-1917 in unserer 526. Auktion, Losnr. 65). Wenig später, im Juli 1917, begab sich Rilke auf das westfälische Gut Böckel von Hertha Koenig (vgl. seinen Bericht in den Briefen an Hanna Heidsiek, Auktion 516, Losnr. 284). Während dieses Aufenthaltes fertigte Rilke noch weitere Abschriften des Moses-Gedichtes an, so für Katharina Kippenberg im Rahmen der Erst-Veröffentlichung im Insel-Almanach auf das Jahr 1918 .
- ZUSTAND: Gedicht und Herder-Übersetzung mit kl. Falzriß, die Briefe gut erhalten.
1 Beigabe (2 Bll. Typoskript Legende mit kl. Notiz in Tinte, wohl von Rilke).
Collection of 1 autograph poem "Der Tod Moses" with dedication, 2 autograph letters signed (with 1 autograph envelope with seal) and 1 autograph transcript of a translation from the Talmud by Johann Gottfried Herder. All addressed to expressionistic painter Karl Casper (1879-1956) and his wife, artist Maria Caspar-Filser (1878-1968), whom Rilke plans to meet in November 1915 to view a collection of their paintings (together with his wife Clara Rilke-Westhoff). - Transcript of poem and of the translation with small tear to fold, the letters (with envelope) very well preserved. - 1 addition (2 ll. with typescript "Legende" with small annotation in ink, probably by Rilke).(R)
Eigenhändiges Gedicht Der Tod Moses' mit Widmung an Karl Caspar sowie 2 eigenhändige Briefe mit Unterschrift (mit 1 eigenhändigen Umschlag mit Stempelsiegel) und 1 eigenhändigen Abschrift eines Textes von J. G. Herder. Oktober-November (ein Brief datiert 10. Nov.) 1915. Zus. 9 1/2 S. 17,5-23 : 13,5-14,5 cm.
Schreiben an das befreundete Künstlerehepaar Caspar-Filser, darunter das wenige Wochen zuvor im Oktober 1915 fertiggestellte, bis dahin noch unveröffentlichte GedichtDer Tod Moses.
"Nur eine kleine Sache!"
Zwei Schreiben an Karl Caspar, der zusammen mit seiner Frau, der expressionistischen Malerin Maria Caspar-Filser (1878-1968), spätestens seit Rilkes Umzug nach München 1914 zu dessen Bekanntenkreis gehörte. Karl Caspar hatte sich u. a. als Künstler, Gründungsmitglied und später Vorsitzender der Münchener Neuen Secession in der Münchener Kunstszene etabliert. 1937 mußte er nach Verfehmung vier seiner Werke in der Ausstellung Entartete Kunst und unter dem Druck des nationalsozialistischen Regimes seine Professur an der Akademie München aufgeben, wurde jedoch 1946 durch Neuberufung an die Kunsthochschule rehabilitiert.
Beide Schreiben behandeln ein Treffen Rilkes mit den Caspars in dessen Wohnung bzw. Atelier, da er sich die Werke des Künstlerehepaars ein weiteres Mal ansehen möchte. ".. ich habe ein großes Verlangen, noch einmal in ruhiger Anschauung vor den wichtigsten Bildern zu stehen, Ihren sowohl als denen Ihrer Frau. Wollen Sie mir das erlauben und außerdem zugeben, daß ich dieses nächste Mal meine Frau mitbringe und einen uns gemeinsamen Freund Dr. Wolde [d. i. Georg Ludwig Wolde, 1884-1949, Mitbegründer der Bremer Presse] ..? Für Clara Rilke, als Bildhauerin wie als Menschen, werden Ihre Bilder ein Ereignis sein, das fühle ich und sie empfand es gleich, da ich ihr davon erzählte." (10. Nov. 1914) - Die Antwort von Karl Caspar enthielt einen Terminvorschlag, den Rilke in dem zweiten, undatierten Schreiben bestätigt: ".. Wenn Sie mich nichts anders wissen lassen, kommen wir um diese Zeit übermorgen. Ich bin ein bißchen eifersüchtig auf jeden Mit-Beschauer, jeder mehr ist einem Bild im Wege und veranlasst einen zu sprechen und sich mitzutheilen - : So überlasse ich es Ihnen, ob Sie Frau Koenig [d. i. Hertha Koenig, 1884-1976, Dichterkollegin und -freundin] mit dabei haben wollen; verantworten dürft ichs ja auch nicht, Schuld zu werden, daß ihr so bedeutende Eindrücke entgehen .."
Seit einiger Zeit beschäftigte sich Rilke außerdem, wie er Caspar mitteilt, mit dem Text einer talmudischen Legende vom Sterben Moses in der Übersetzung von Johann Gottfried Herder (".. die großartige Stelle aus dem Talmud in Herders Übertragung .."), deren Eindrücke ihn zu einem wohl schon 1914 in Paris begonnenen, aber erst im Oktober 1915 fertiggestellten Gedicht Der Tod Moses' anregten. Dem ersten Brief an Caspar fügte Rilke eine eigenhändige Abschrift der Herder-Übersetzung bei und kündigt im zweiten Brief für den nun vereinbarten Besuch bei Caspars eine Lesung aus seinem Gedichtmanuskript an, das er mit gespielter Bescheidenheit als "nur eine kleine Sache!" bezeichnet. Bei dieser Gelegenheit wird Rilke wohl dem Gedicht auch die Widmung hinzugefügt haben ("Herrn Karl Caspar: dankbar für die Stunden guten und fruchtbaren Anschauens").
"Keiner, der finstere nur gefallene Engel / wollte; nahm Waffen, trat tötlich / den Gebotenen an. Aber schon wieder / klirrte er hin rückwärts, aufwärts - / schrie in die Himmel: Ich kann nicht! / Denn gelassen durch die dickichte Braue / hatte ihn Moses gewahrt und weitergeschrieben. / Worte des Segens und den unendlichen Namen .."
Beim Besuch einer Franz-Marc-Ausstellung im September 1916 sind sich Rilke und das Ehepaar Caspar noch einmal begegnet (vgl. die Briefe von Rilke an Karl Caspar 1916-1917 in unserer 526. Auktion, Losnr. 65). Wenig später, im Juli 1917, begab sich Rilke auf das westfälische Gut Böckel von Hertha Koenig (vgl. seinen Bericht in den Briefen an Hanna Heidsiek, Auktion 516, Losnr. 284). Während dieses Aufenthaltes fertigte Rilke noch weitere Abschriften des Moses-Gedichtes an, so für Katharina Kippenberg im Rahmen der Erst-Veröffentlichung im Insel-Almanach auf das Jahr 1918 .
- ZUSTAND: Gedicht und Herder-Übersetzung mit kl. Falzriß, die Briefe gut erhalten.
1 Beigabe (2 Bll. Typoskript Legende mit kl. Notiz in Tinte, wohl von Rilke).
Collection of 1 autograph poem "Der Tod Moses" with dedication, 2 autograph letters signed (with 1 autograph envelope with seal) and 1 autograph transcript of a translation from the Talmud by Johann Gottfried Herder. All addressed to expressionistic painter Karl Casper (1879-1956) and his wife, artist Maria Caspar-Filser (1878-1968), whom Rilke plans to meet in November 1915 to view a collection of their paintings (together with his wife Clara Rilke-Westhoff). - Transcript of poem and of the translation with small tear to fold, the letters (with envelope) very well preserved. - 1 addition (2 ll. with typescript "Legende" with small annotation in ink, probably by Rilke).(R)
229
Rainer Maria Rilke
1 eigenhändiges Gedicht, 2 eigh. Briefe, 1 eigh. Abschrift und 1 Typoskript, 1915.
Estimate:
€ 10,000 / $ 11,000 Sold:
€ 10,500 / $ 11,550 (incl. surcharge)